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  • Dr. K. Herzberg an seinem Schreibtisch

    Dr. Kurt Herzberg, Bürgerbeauftragter des Freistaats Thüringen

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  • Herzberg übergibt Jahresbericht an die Landtagspräsidentin

    „Augenhöhe trotz Krisenmodus“ Bürgerbeauftragter übergibt Tätigkeitsbericht an die Präsidentin des Thüringer Landtags

    Foto: Thüringer Bürgerbeauftragter
  • Feuerwehrfahrzeug

    Fall des Monats: „Wo Rauch ist, ist auch Feuer.“ – Von wegen …..

    Foto: Gabi Schoenemann/pixelio.de
  • Bürgerbeauftragtengesetz

    Umweltrelevante Großprojekte – viele Unsicherheiten und hoher Aufklärungsbedarf

    Foto: Der Bürgerbeauftragte des Freistaats Thüringen
  • Stempelabdruck mit Word

    Information: Muss die Behörde eine Eingangsbestätigung versenden?

    Foto: Claudia Hautumm/pixelio.de
  • Herzberg im Gespräch mit einer Besucherin

    Der Bürgerbeauftragte auf der Thüringenausstellung 2024

    Foto: Thüringer Bürgerbeauftragter
  • Der Bürgerbeauftragte im Gespräch

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Muss eine Unterkunft im Sinne des SGB II eine abgeschlossene Wohnung sein?

Wenn Empfänger von Sozialleistungen die Absicht haben, umzuziehen, muss das Jobcenter vorher diesem Umzug zustimmen und den neuen Mietvertrag genehmigen. Eine Bürgerin, die so genannte ALG II- Leistungen bezog, erhielt vor dem geplanten Umzug vom zuständigen Jobcenter die Zusicherung für die Übernahme der Mietkosten (Unterkunft und Heizung) der neuen Wohnung. Im Vertrauen auf die Übernahme der Kosten unterzeichnete die Bürgerin den Mietvertrag und zog um.

Nach dem Umzug beantragte sie dann beim Jobcenter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für die neue Wohnung. Zu ihrer großen Überraschung lehnte das Jobcenter jedoch die Übernahme der Miet- und Heizkosten mit der Begründung ab, dass es sich bei der neu gemieteten Unterkunft nicht um eine abgeschlossene Wohneinheit handele. Vielmehr befände sich die Wohnung der Bürgerin in einem Gebäude in dem viele Mieter in einer Art „Community“ zusammen leben. Bei einer Vor-Ort-Überprüfung habe das Jobcenter festgestellt, dass sowohl die Küche als auch das Bad gemeinschaftlich genutzt werden.

Diese Ablehnung konnte die Bürgerin nicht nachvollziehen, schließlich war ihr doch vom Jobcenter nach Vorlage des Mietangebotes sogar vorab eine Zusicherung für die Übernahme der Mietkosten gegeben worden. Da ihr aufgrund der zwischenzeitlich aufgelaufenen Mietschulden - die Bearbeitung und Prüfung durch das Jobcenter hatte sich über mehrere Monate hingezogen – mittlerweile die Räumung und damit Obdachlosigkeit drohte, wandte sich die Frau hilfesuchend an den Bürgerbeauftragten.

Lösungsansatz und Ergebnis

Nachdem der Bürgerbeauftragte die Rechtslage geprüft hatte, nahm er umgehend Kontakt mit dem Jobcenter auf. Diesem gegenüber machte er deutlich, dass das SGB II den Terminus und das Erfordernis einer „abgeschlossenen Wohneinheit“ für die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht kennt. § 22 SGB II, der die Bedarfe von Unterkunft und Heizung regelt, verwendet vielmehr ausschließlich den Begriff der Unterkunft. Unter einer „Unterkunft“ im Sinne des SGB II ist nach übereinstimmender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung jede Einrichtung oder Anlage zu verstehen, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters zu schützen und eine gewisse Privatsphäre zu gewährleisten. Bad oder Küche sind hierbei nicht zwingend erforderlich, selbst ein Bauwagen stellt eine Unterkunft in diesem Sinne dar. Damit, so betonte der Bürgerbeauftragte, sei auch die Wohnung der Bürgerin unstreitig eine Unterkunft gemäß § 22 SGB II. Die Frau habe also grundsätzlich Anspruch auf Übernahme der beantragten Kosten.

Das Jobcenter ließ sich jedoch von dieser Argumentation nicht überzeugen. Es vertrat die Ansicht, dass nicht die Definition der „Unterkunft“, sondern vielmehr der engere Begriff der „Wohnung“ hier anzuwenden sei. Das Jobcenter verwies in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der für das Vorliegen einer Wohnung eine in sich abgeschlossene Einheit der Räume inklusive Küche und Bad verlangt.

Der Bürgerbeauftragte allerdings hielt den Verweis auf die Rechtsprechung des BFH für verfehlt. Denn im der Entscheidung des BFH zugrunde liegenden Fall ging es ausschließlich um die Frage, wann im steuerrechtlichen Sinn von einer „Wohnung“ gesprochen werden kann.

Dennoch: Trotz wiederholter Gespräche und unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung blieb das Jobcenter bei seiner Rechtsauffassung. Da der Bürgerbeauftragte der Bürgerin somit nicht unmittelbar weiter helfen konnte, blieb dieser nur der Rechtsweg. Die Bürgerin reichte daher Klage beim zuständigen Sozialgericht ein und - bekam Recht!

Das Sozialgericht entschied, dass es sich bei der in Frage stehenden Wohnung der Bürgerin um eine Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II handelt, für welche die beantragten Aufwendungen durch das Jobcenter zu übernehmen sind. Das Gericht drückte zudem deutlich seine Verwunderung darüber aus, dass das Jobcenter in seiner Argumentation auf den Begriff der Wohnung abgestellt hatte. Es wies darauf hin, dass der Gesetzgeber bewusst in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II den nach seinem Wortsinn tendenziell weiteren Begriff der Unterkunft verwendet. Dies sei Teil des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf Existenzsicherung.

Der Begriff der Unterkunft bezeichnet dabei allgemein sprachlich das „unterkommen“, also in erster Linie das Dach über dem Kopf. Damit ist jeder finanzielle Bedarf erfasst, der durch die Beschaffung oder Nutzung einer Unterkunft begründet oder zu deren Erhaltung notwendig ist. Unerheblich ist auch, ob die konkret innegehabte Unterkunft ein menschenwürdiges Wohnen erlaubt. Unter einer Unterkunft im Sinne des SGB II ist damit jede Einrichtung oder Anlage zu verstehen, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters bzw. der Witterung zu schützen, und eine gewisse Privatsphäre gewährleistet.

Das Sozialgericht wies in seiner Entscheidung zudem darauf hin, dass das Jobcenter, soweit eine schriftliche Zusicherung zur Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 4 SGB II erteilt wurde, auch an diese Zusage gebunden sei.

Der Bürgerbeauftragte begrüßte das Urteil, stellte aber auch fest: „Schade, dass erst ein Gericht die Klärung in diesem eigentlich recht eindeutigen Fall herbeiführen musste. Hier hätten viel Zeit, Geld und Nerven gespart werden können.“

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