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  • Dr. K. Herzberg an seinem Schreibtisch

    Dr. Kurt Herzberg, Bürgerbeauftragter des Freistaats Thüringen

    Foto: V. Hielscher
  • Herzberg übergibt Jahresbericht an die Landtagspräsidentin

    „Augenhöhe trotz Krisenmodus“ Bürgerbeauftragter übergibt Tätigkeitsbericht an die Präsidentin des Thüringer Landtags

    Foto: Thüringer Bürgerbeauftragter
  • Feuerwehrfahrzeug

    Fall des Monats: „Wo Rauch ist, ist auch Feuer.“ – Von wegen …..

    Foto: Gabi Schoenemann/pixelio.de
  • Bürgerbeauftragtengesetz

    Umweltrelevante Großprojekte – viele Unsicherheiten und hoher Aufklärungsbedarf

    Foto: Der Bürgerbeauftragte des Freistaats Thüringen
  • Stempelabdruck mit Word

    Information: Muss die Behörde eine Eingangsbestätigung versenden?

    Foto: Claudia Hautumm/pixelio.de
  • Herzberg im Gespräch mit einer Besucherin

    Der Bürgerbeauftragte auf der Thüringenausstellung 2024

    Foto: Thüringer Bürgerbeauftragter
  • Der Bürgerbeauftragte im Gespräch

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Wenn Kinder ihren Eltern unterhaltspflichtig sind und plötzlich das Sozialamt beteiligt ist

Unter der Überschrift „Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen…“ hatte eine Bürgerin kürzlich vom Sozialamt die schriftliche Aufforderung bekommen, für ihren dauerhaft erkrankten, pflegebedürftigen Vater Unterhalt zu zahlen. In dem Schreiben wies die Behörde auch darauf hin, dass es sich bei dieser Unterhaltsforderung um eine privatrechtliche handelt und hiergegen kein Widerspruch möglich sei. Da die Bürgerin der Ansicht war, dass in ihrem speziellen Fall keine Unterhaltspflicht bestünde, und den Hinweis auf den nicht möglichen Widerspruch nicht richtig verstand, wandte sie sich an den Bürgerbeauftragten mit der Bitte um Aufklärung.

Zum Unterhalt fühlte sie sich nicht verpflichtet, da der Vater die Familie verlassen hatte, als sie, die Tochter, 3 Jahre alt war. Den Vater hatte sie bis dahin als alkoholabhängig und gewalttätig erlebt und zu ihm, nach dem Auszug, kaum Kontakt gehabt. Ob der Vater jemals selbst Unterhalt geleistet hatte, bezweifelte sie. Dass er sich jetzt in der Situation der betreuten Pflege befand, führte sie auf den Umstand zurück, dass er aufgrund eines kürzlich ergangenen Gerichtsbeschlusses gezwungen war, die eheliche Wohnung zu verlassen, da er auch gegenüber seiner derzeitigen langjährigen Ehefrau gewalttätig geworden war. Ohne diesen selbst verschuldeten Umstand bestünde – so ihre Meinung - die Unterhaltspflicht der Tochter ja gar nicht, da die Ehefrau vorrangig unterhaltspflichtig wäre und diesen Unterhalt als Naturalunterhalt, dh. Pflege und Unterstützung in der ehelichen Wohnung, weiterhin geleistet hätte.

Lösungsansatz und Ergebnis

Der Bürgerbeauftragte prüfte die Angelegenheit und gab der Bürgerin folgende Information:

Wenn Eltern pflegebedürftig werden und die Einkünfte und das Vermögen der Eltern selbst nicht ausreichen, um die Pflegekosten zu decken, übernimmt zunächst das zuständige Sozialamt die ungedeckten Heimkosten. Allerdings bestimmt das deutsche Zivilrecht in § 1601 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), dass Verwandte in gerader Linie verpflichtet sind, einander Unterhalt zu gewähren.

Diese dergestalt normierte Unterhaltsverpflichtung bedeutet, dass nicht nur Eltern ihren Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet sind, sondern auch Kinder ihren Eltern gegenüber. Übernimmt nun das Sozialamt ungedeckte Heimkosten, hat der Pflegebedürftige aber Verwandte in gerader Linie, ordnet § 94 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) einen sogenannten Forderungsübergang an: Kraft Gesetzes geht die zwischen dem pflegebedürftigen Elternteil und seinen Kindern gem. § 1601 BGB bestehende Unterhaltsforderung auf das Sozialamt über, so dass sich dieses die verauslagten Aufwendungen (die es zunächst statt des Kindes erbracht hat) zurückholen kann.

§ 94 SGB XII realisiert das – im gesamten Sozialrecht geltende – Nachrangprinzip, demzufolge vor der Inanspruchnahme staatlicher (= steuerfinanzierter) Mittel zunächst im zumutbaren Umfang eigene Mittel (Einkommen und Vermögen) aufgewendet werden sollen. Mit dem durch § 94 SGB XII angeordneten gesetzlichen Forderungsübergang tritt der Sozialhilfeträger in vollem Umfang in die Rechtsstellung des Unterhaltsberechtigten ein.

Hierüber erhält ein möglicher Unterhaltspflichtiger eine Information, die sog. Überleitungsanzeige. Mit diesem Schreiben werden durch das Sozialamt in der Regel auch Auskunftsansprüche im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögenssituation des in Aussicht genommenen Unterhaltspflichtigen geltend gemacht, damit das Sozialamt beurteilen kann, ob und wenn ja in welchem Umfang der Unterhaltspflichtige überhaupt in Anspruch genommen werden kann. Denn der eingangs geschilderte Unterhaltsanspruch des § 1601 BGB ist nicht grenzenlos. So muss der Unterhaltspflichtige zunächst selbst leistungsfähig sein.

In bestimmten Fällen kann der Anspruch auf Unterhalt auch gemindert sein oder sogar ganz wegfallen. Solche Fälle regelt § 1611 BGB: „Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.“

Die vom Sozialamt geltend gemachte Forderung ist ihrem Ursprung nach eine zivilrechtliche, nämlich jene nach § 1601 BGB. Da § 94 SGB XII dem Sozialamt nun nicht nur einen Kostenersatzanspruch gibt, sondern einen Forderungsübergang anordnet und das Sozialamt komplett in die Rechtsstellung des Unterhaltspflichtigen eintritt, handelt es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Forderung, sondern um eine zivilrechtliche Forderung. Konsequenterweise ordnet § 94 Abs. 5 Satz 3 SGB XII daher an, dass über Ansprüche nach § 94 Absätze 1 bis 4 SGB XII im Zivilrechtsweg zu entscheiden ist.

Dementsprechend erhält der Unterhaltspflichtige vom Sozialamt irgendwann die Aufforderung, rückständigen und laufenden Unterhalt in einer bestimmten Höhe für den Pflegebedürftigen zu zahlen. Hierbei handelt es sich aber nicht um einen Bescheid, gegen den Widerspruch möglich wäre, und auch nicht um einen sonst vollstreckbaren Titel, sondern lediglich um eine Zahlungsaufforderung. Das Sozialamt kann die geforderten Beträge damit also nicht vollstrecken. Dazu müsste das Sozialamt – wie bei jeder anderen zivilrechtlichen Forderung auch – erst einen vollstreckbaren Titel erwirken, also den Erlass eines Mahnbescheides beantragen oder vor Gericht auf die geforderte Unterhaltsleistung klagen.

Der Bürgerbeauftragte empfahl der Bürgerin, ihre eingangs vorgetragenen Einwände gegen die Unterhaltsverpflichtung zunächst erst einmal ausführlich dem Sozialamt vorzutragen. Gemäß § 94 Abs. 3 S. 2 SGB XII ist der Amtsermittlungsgrundsatz für die Feststellung der unbilligen Härte des § 1611 BGB zwar eingeschränkt. Das Sozialamt muss nicht von sich aus ermitteln. Die Gründe für das Vorliegen einer unbilligen Härte sind aber zu berücksichtigen, wenn sie nachgewiesen werden oder der Träger der Sozialhilfe auf andere Weise Kenntnis davon hat.

Sollte dennoch das konkrete Bestehen/Nichtbestehen ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrem Vater streitig werden und die Stadt ein Mahn- oder Klageverfahren einleiten, empfahl der Bürgerbeauftragte weiter die Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Beratung und Vertretung, um die, wie oben dargelegt, rein zivilrechtlichen Ansprüche umfassend prüfen und gegebenenfalls abwehren zu können.

Mehr zum Thema Elternunterhalt finden Sie auf der Webseite der Verbraucherzentrale: https://www.ratgeber-verbraucherzentrale.de/recht-versicherungen/elternunterhalt-46006763

Diese hat auch eine ausführliche Publikation zum Thema veröffentlicht: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/pflege-im-heim/elternunterhalt-wann-muessen-kinder-fuer-pflegebeduerftige-eltern-zahlen-28892

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