Rückstau im Kanalnetz
Der Keller eines Bürgers war vor einiger Zeit mit Fäkalien überflutet worden. Er vermutete, dass eine kürzlich vorgenommene Verrohrung durch den örtlichen Zweckverband und die Neuanschlüsse von Grundstücken dafür ursächlich gewesen seien. Da er davon ausging, dass noch weitere Grundstücke an den Kanal angeschlossen werden und sich somit die Abwassermenge zukünftig weiter erhöhen würde und auch erneute Fäkalüberflutungen drohten, hatte er sich mit einer Problemschilderung an verschiedene Behörden im Landratsamt gewandt.
Da hierauf aber keine Reaktionen erfolgt waren, bat er den Bürgerbeauftragten um Unterstützung. Er gab an, dass sein Haus noch immer nicht wieder komplett nutzbar sei und er deshalb auch eine Entschädigung für die am Haus aufgetretenen Schäden erwarte.
Lösungsansatz und Ergebnis
Mit dem zuständigen Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung ermittelte der Bürgerbeauftragte zunächst was geschehen war:
Die Ursache der Flutung war ein Starkregenereignis, welches dazu geführt hatte, dass das Abwasser in den Keller des Bürgers eingetreten war. Der Zweckverband, der bereits seit einigen Jahren Sanierungen an den bestehenden Leitungen vorgenommen hatte, bedauerte dies und erläuterte den technischen Zusammenhang.
Das Starkregenereignis habe weit über der gewöhnlichen Berechnungsmenge nach DIN 1986-100 gelegen. Die Hausanschlussleitung des Bürgers arbeite im Freigefälle und sei an ein Pumpwerk angeschlossen. Weitere Straßenzüge seien ebenfalls im sog. Trennsystem an dieses Pumpwerk angeschlossen. Trennsystem bedeutet, Schmutz- und Regenwasser werden jeweils über separate Kanäle abgeführt. In diesem Fall wurde das Regenwasser einem Vorfluter zugeführt und das Schmutzwasser dem Pumpwerk. Das Pumpwerk ist aufgrund der Topographie notwendig und befördert die Schmutzfracht zum Hauptsammler.
Bei diesem Starkregenereignis kam es zu massivem (also über das normale Maß hinaus gehenden) Fremdwassereintritt, unter anderem durch die Lüftungsöffnungen der Kanaldeckel, in den Schmutzwasserkanal hinein und dies führte im Ergebnis zur Überlastung des Pumpwerkes.
Der Zweckverband wies darauf hin, dass bei einem solch heftigen Starkregenereignis (unabhängig von der Dimensionierung der Kanalisation) ein Rückstau im Kanalnetz auftreten könne. Hier müsse der Bürger selbst entsprechende Vorkehrungen treffen.
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 19. November 2020 (III ZR 134/19) führt hierzu wie folgt aus:
„Nach der Rechtsprechung des Senats besteht zur Vermeidung von Rückstauschäden - auch dann, wenn das Kanalnetz im Schadenszeitpunkt unterdimensioniert war - die Besonderheit, dass - zumindest im Grundsatz – der Grundstückseigentümer selbst verpflichtet ist, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um sein Anwesen gegen einen Rückstau bis zur Rückstauebene, das heißt bis zur Straßenoberkante, zu sichern (Senat, Beschluss vom 30. Juli 1998 aaO). Für eine taugliche Rückstausicherung zu sorgen, liegt daher im eigenen Interesse des Anschlussnehmers und hängt nicht von der konkreten Ursache des Rückstaus ab. Selbst bei einem ordnungsgemäß geplanten und ausgeführten Kanalsystem kann es immer wieder - etwa aufgrund selten auftretender ungewöhnlich heftiger Regenfälle - zu einem Rückstau kommen (…). Ein Anschlussnehmer muss daher damit rechnen, dass von Zeit zu Zeit auf seine Leitungen mindestens ein Druck einwirken kann, der bis zur Oberkante der Straße reicht.“
Gemäß der Satzung des Zweckverbandes hat sich deshalb jeder Anschlussnehmer (Grundstückseigentümer) selbst gegen den Rückstau des Abwassers aus dem Abwassernetz zu schützen. Dieses war dem Bürger auch im technischen Bescheid mitgeteilt worden. Der entstandene Schaden am Gebäude des Bürgers wurde vom Zweckverband zwar an den Versicherer – Kommunaler Schadensausgleich – gemeldet. Dieser kam jedoch im Rahmen der Sachverhaltsprüfung zu dem Ergebnis, dass der Zweckverband nicht zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Für den Bürgerbeauftragten war dies soweit nachvollziehbar. Er erläuterte dem Bürger den Hintergrund ausführlich und regte an, sich bezüglich einer angemessenen Absicherung beraten zu lassen, damit etwaige künftige Rückstauereignisse nicht zu seinem Schaden führen würden.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir ggf. auf eine detaillierte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Stand: 2025




